Ein echtes Netz der Netze: Im Dreischritt zur Transformation

Die Netzarchitektur von morgen besteht aus einer Vielzahl autarker Verteilnetze, die unabhängig von der Hauptstromversorgung funktionieren – und doch eine Einheit bilden. Foto: Conny Schneider / Unsplash
Die Netzarchitektur von morgen besteht aus einer Vielzahl autarker Verteilnetze, die unabhängig von der Hauptstromversorgung funktionieren – und doch eine Einheit bilden. Foto: Conny Schneider / Unsplash

Die Weichen für die Energiewende wurden mit dem Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung justiert: 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs soll im Jahr 2030 aus regenerativen Energien stammen. Ihr Anteil müsste sich in weniger als einem Jahrzehnt verdoppeln, die aktuelle Ausbaugeschwindigkeit sich verdreifachen. Damit unser Land die Klimaziele planmäßig erreicht, müssen aber auch die „Schienen“ der Stromversorgung ertüchtigt werden. Mehr noch: Das Stromnetz ist dabei, sich grundlegend zu wandeln. 

Bisher war es ja so: Lange funktionierte das Vertriebsnetz nur in eine Richtung. Strom wurde vornehmlich in Kraftwerken produziert, erzeugt durch fossile Brennstoffe wie Kohle oder durch Kernkraft, der seinen Weg über die großen Übertragungsleitungen in die Verteilnetze und von dort in die Steckdosen der Haushalte fand. In diesem System waren Stromkapazitäten berechenbar, Netz-Überlastungen die Ausnahme.  

Die Zeitenwende ist bekanntlich mit dem Umstieg auf Erneuerbare Energien eingeleitet und dem Ende der Laufzeiten für Kohle und Atomkraft politisch fixiert. Stand heute werden bis April 2023 die drei letzten Meiler in Deutschland – Isar 2, Emsland und Neckarwestheim – vom Netz genommen. Der Kohleausstieg soll „idealerweise“ nach 2030 erfolgen, spätestens aber im Jahr 2038 vollzogen sein.  

Ende des „Stromzentralismus“ ist absehbar 

Womit wir in der Gegenwart angelangt wären: 2021 betrug der Anteil der Erneuerbaren Energien im Stromsektor rund 41 Prozent des Bruttostromverbrauchs. Das macht 233,6 Milliarden Kilowattstunden Strom aus regenerativen Energieträgern, ganz vorne dabei sind Sonne und Wind. Ein gewachsener Anteil wird schon jetzt dezentral, auf der Ebene der Nieder- und Mittelspannung erzeugt. Stromproduktion ist keine Einbahnstraße mehr, die Elektrizität fließt aus zwei Richtungen.  

Daher machen die Verteilnetze derzeit eine Transformation durch. Herausforderungen ergeben sich durch ein Bündel offener Rahmenparameter und deren Auswirkungen auf das Netz selbst. Ein Faktor ist das tatsächliche Tempo des Ausbaus an sich. Wie schnell wächst die Zahl der (Klein-)Einspeiser? Wie viel Strom wird – wetterabhängig – örtlich eingespeist?  

Auch ist abzusehen, dass sich die Stromnutzung verändert. Noch verbrauchen Haushalte hierzulande nachts weniger Strom. Zu den Bausteinen der Energiewende gehört allerdings auch der Ausbau der E-Mobilität. Was passiert in unseren Netzen, wenn bis zum Ende dieses Jahrzehnts Nacht für Nacht die von der Bundesregierung ausgerufenen sieben bis zehn Millionen E-Autos an den Ladesäulen hängen (die ja ebenfalls noch gebaut und ans Stromnetz angeschlossen werden müssen)? 

Zukunft der Verteilnetze ist autark 

Das sind Unwägbarkeiten, von denen wir uns nicht überraschen lassen dürfen. Um vor dem Hintergrund höchst dynamischer Stromerzeugung und -nachfragen Einspeisungsstabilität zu gewährleisten und den Netzbetrieb effizient(er) zu gestalten, investieren Netzbetreiber wie ED Netze in Smart Grids. Hier stehen wir an der Schwelle zwischen Gegenwart und Zukunft. In unserem Versorgungsgebiet geht der Einsatz von Smart Metern, moderner Mess-Sensorik und IoT-Technologien längst über den Testbetrieb hinaus, die heute gewonnenen Daten ermöglichen uns eine detaillierte, strategische Planung für das Netz von morgen.  

Und wie steht’s ums Übermorgen? Langfristig wird der Löwenanteil des Stroms in den Verteilnetzen erzeugt. Tech-Unternehmen arbeiten an noch intelligenteren Systemen, die nicht „nur“ den Netzzustand im Blick halten, sondern gleich die „Verantwortung“ übernehmen und den Betrieb steuern. Denkbar ist, dass Smart Grids Erzeugungsanlagen automatisch zu- und abschalten, um entweder höhere Netzlasten abzufedern oder in Zeiten geringerer Nachfrage Energie zu sparen. Sobald es gelingt, ökologisch produzierten Strom im großen Stil zu „hamstern“, könnten Smart Grids außerdem eine wichtige Rolle im Speichermanagement übernehmen.   

Mit diesem Szenario wäre die nächste Evolutionsstufe erreicht: Eine solche Netzarchitektur bestünde aus einem „echten“ Netz der Netze. Einzelne Systeme wären dank verteilter Stromproduktion und smartem Energiehaushalt in der Lage, autark von der Hauptstromversorgung zu funktionieren – und doch als große Einheit miteinander verbunden.  

Bildunterschrift: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des strukturellen Wandels im Stromnetz in einer Grafik – freilich sind die Übergänge fließend. Ein wesentlicher Treiber der Transformation ist die Digitalisierung. Grafik: ED Netze
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des strukturellen Wandels im Stromnetz in einer Grafik – freilich sind die Übergänge fließend. Ein wesentlicher Treiber der Transformation ist die Digitalisierung. Grafik: ED Netze

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