Das Netz von morgen braucht das gestaltende „Wir“ von heute

Das „Zielbild ED Netze 2030“ visualisiert die diversen Themenfelder, denen sich der südbadische Netzbetreiber in seinem Versorgungsgebiet stellt, um das Netz von morgen schon heute aktiv mitzugestalten. (Grafik: ED Netze)
Das „Zielbild ED Netze 2030“ visualisiert die diversen Themenfelder, denen sich der südbadische Netzbetreiber in seinem Versorgungsgebiet stellt, um das Netz von morgen schon heute aktiv mitzugestalten. (Grafik: ED Netze)

Die Energieversorgung in Deutschland unterliegt einem grundlegenden Wandel. Klassische Erzeugungsstrukturen wie Atom- oder Kohlekraftwerke werden systematisch abgebaut. Die sich parallel dazu verändernde Energienachfrage wird daher zunehmend auf regenerative, dezentrale Energieerzeuger umgestellt. Das führt zu neuen Anforderungen gerade an die Verteilnetze. „Wir begreifen das als Chance, aktiv daran mitzuarbeiten, das Erreichen der Klimaziele zu ermöglichen und uns nachhaltig zu erneuern“, so Franziska Heidecke, Leiterin „Digitalisierung und Innovation“ bei ED Netze. Daher heißt es beim südbadischen Netzbetreiber schon seit geraumer Zeit: „Wir gestalten das Netz von morgen.“ Alle Mitarbeiter werden dabei innovativ mitgenommen.

von Sonja Sahmer

Nicht erst seitdem die neue Bundesregierung im Dezember 2021 ihre Arbeit aufgenommen hat ist klar: Deutschland steht in Sachen Klimaziele vor großen Aufgaben. Bis 2050 sollen 80 Prozent des Energieverbrauchs durch Erneuerbare Energien abgedeckt werden. Gleichzeitig wirken sich neue Verbraucher wie etwa Wärmepumpen und vor allem Elektrofahrzeuge auf das Stromverteilungssystem der Zukunft aus.

Noch muss viel passieren, wie der neue Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, im Januar 2022 mit seiner „Eröffnungsbilanz zum Klimaschutz“ plakativ deutlich machte. Tempo ist angesagt, damit in deutlich kürzerer Zeit zukünftig die Emissionsminderungen signifikanter wachsen als bislang. Denn der Minister aktualisierte den Fahrplan: „Wir wollen bis 2045 klimaneutral werden und bis 2030 den Anteil Erneuerbarer Energien auf 80 Prozent steigern.“ Ein Solarbeschleunigungspaket und das Wind-an-Land-Gesetz sollen unter anderem dabei helfen. Dabei machte Robert Habeck keinen Hehl daraus, dass das alles eine Mammut-Aufgabe sei: „Es wird einige Jahre dauern, bis wir die Erfolge sehen werden.“

Neues als Chance begreifen

Die damit einhergehenden Veränderungen der Erzeugungs- und Nachfragestrukturen führen automatisch auch zu neuen Anforderungen an die Netze, vor allem im Mittel- und Niederspannungsbereich. „Die Energie- wie die Mobilitätswende führen zu veränderten Lastmomenten im Netz, die sich besonders in den Verteilnetzen zeigen“, erklärt denn auch Franziska Heidecke, Leiterin „Digitalisierung und Innovation“ bei ED Netze. „Wir Verteilnetzbetreiber sehen uns als wichtigen Baustein, um die Energie- und Mobilitätswende zu ermöglichen – und dafür neue Fähigkeiten aufzubauen, um auch zukünftig unsere Netze effizient und versorgungssicher zu betreiben.“

Das erfordert ein Veränderungsmanagement. Denn die Neuerungen betreffen zum einen die traditionellen Strukturen des physikalischen Netzes an sich, aber auch die Unternehmen und ihre Organisation selbst: „Bei ED Netze bereiten wir uns schon heute auf diese neuen Anforderungen vor, wollen im ursprünglichen Wortsinn ‚innovativ‘ agieren.“

Veränderungsmanagement

Der Begrifft geht auf Organisationsentwicklungen der 1930er-Jahre in den USA zurück; Wissenschaftler führten damals erste Forschungen zur Leistungssteigerung in Werken der Western Electric durch. In Deutschland etablierten sich Formen des Veränderungsmanagements erstmals in den 1970er-Jahren.

Man versteht darunter die bewusste Steuerung von Änderungen in Unternehmen oder Organisationen, sprich die (laufende) Anpassung bestehender Strukturen, genutzter Techniken, aber auch der (Firmen-)Kultur oder Kommunikation an veränderte Rahmenbedingungen.

Denn: Das Netz, wie es die letzten 40, 50 Jahre existierte und funktionierte, wird sich grundlegend wandeln. Offenheit ist gefragt für neue und erneuerte Technologien, für das Erkennen von Verbesserungspotentialen. Und der Wille, sich zielgerichtet weiterzuentwickeln. Oder wie Franziska Heidecke es runter bricht: „Wir brauchen die gemeinsame Anstrengung.“

Mit gemeinsam meint sie in ihrem Fall das Mitnehmen aller ED-Netze-Mitarbeiter, ob den digitalaffinen jungen Auszubildenden oder sturmerprobten langjährigen Betriebstechniker. Wobei sie unterstreicht: „Unsere Mitarbeiter fühlen sich alle extrem verantwortlich: Man spürt eine unglaubliche Loyalität dem Gemeinwohl gegenüber. Ihnen allen ist klar, dass die Arbeit jedes Einzelnen nicht nur für das Unternehmen wichtig ist. Und diese Verantwortung leben sie auch, im Tagesgeschäft und im Notfall – denn ohne funktionierende Netze gibt es nun einmal keinen Strom aus der Steckdose.“

Neues in Wort und Bild fassen

Dass die Herausforderungen groß sind, ist allen bewusst: „Für die Kolleginnen und Kollegen – und das ist bei unseren Mitbewerbern nicht anders – sind die Veränderungen im Netz, die neuen Trends und Technologien ein echtes Thema. Denn ‚morgen‘ wird dort vieles anders aussehen.“ Doch dieses „morgen“ haben die ED Netze technisch schon geraume Zeit im Blick. Anfang 2021 wurde passend dazu auch noch ein Veränderungsprozess im Unternehmen selbst angestoßen, den mittlerweile ein „Zielbild für das Jahr 2030“ visualisiert (siehe Aufmachermotiv).

Ziel- oder Leitbild

Der aus dem Veränderungsmanagement kommende Begriff beschreibt die Zukunft. Ein Zielbild ist ambitioniert, aber realistisch. Es eröffnet durchaus Umsetzungsspielraum und ist doch konkret genug, um bei Entscheidungen Orientierung zu bieten. Und: Es will immer motivieren.

Entsprechende Ziel- oder Leitbildprozesse können top-down angestoßen werden, das heißt, die Geschäftsführung definiert und verabschiedet diese – und bestimmt die Einführung und Umsetzung. Bei Bottom-up-Verfahren erfolgt dagegen von Anfang an eine breitere Mitarbeitereinbindung.

Aus den Augen verlieren kann das kein ED-Netze-Mitarbeiter mehr: Jede Kollegin und jeder Kollege hat ein Mousepad zugesandt bekommen, auf dem es abgebildet ist. Noch einmal Franziska Heidecke: „Alle sollen unser gemeinsames Ziel stets vor Augen haben, um sich weiter damit zu beschäftigen und Anregungen zu geben, wie die neuen Anforderungen gemeinsam umgesetzt werden können.“ Sie ergänzt: „Der Ursprung dieser Veränderungen sind die Klimakrise und die Erwärmung. Bislang lief alles prima im Netz, aber Treiber wie etwa die geforderte CO2-Reduktion machen deutlich: Ohne Erneuerung wird das in Zukunft nicht mehr so einfach gelingen. Eine Aufgabe, der sich bei uns alle stellen.“

Das wurde schon bei den Vorarbeiten zum Zielbild deutlich, denn daran mitgearbeitet haben neben der Geschäftsführung ausgewählte Kolleginnen und Kollegen aus alle technischen und kaufmännischen Bereichen. „Es war uns wichtig, dass der interne Veränderungsprozess nicht rein von oben vorgegeben wird“, so Franziska Heidecke. Die Herangehensweise spiegelt das wider: Die unterschiedlichsten Ideen und Vorstellungen wurden in crossfunktionalen, sprich aus verschiedenen Fachgebieten zusammengesetzten Teams eingebracht und in Workshops diskutiert. Anschließend wurden Themenbereiche priorisiert und am Ende schon erste beispielhafte Details für diese definiert. „Es gibt diesen Druck von außen zu Veränderungen, doch wir wollen nicht nur reagieren sondern auch agieren.“

So kamen im Rahmen der Zielbild-Erstellung nicht nur Zukunftsthemen wie die Erneuerbaren Energien auf den Tisch, die Nachhaltigkeit, die Sektorkopplung (die etwa für die E-Mobilität Vorteile bringt) oder die intelligenten Netze. Es wurden unter anderem auch die Mitarbeiter einer- und die Kunden andererseits als Aufgabenbereiche definiert. So deckt das Zielbild von den Netzanforderungen im Allgemeinen bis zum „Ermöglicher“ im Besonderen, also dem Netzbetreiber selbst, alles ab. Und wurde zuletzt auf eine Kernaussage reduziert, die seit dem letzten Sommer jeder auf der Unternehmenswebsite der ED Netze oder als Hashtag auf den sozialen Medien lesen kann: Wir gestalten das Netz von morgen.

Neues geht nur gemeinsam

Der langfristig angelegte Claim ist so einfach wie eindeutig – und macht jedem Leser sofort klar: Es gibt mittel- und langfristig neue Netz-Aufgaben, die keinen Aufschub dulden. Wenn wir diese Herausforderungen gemeinsam jetzt aktiv angehen, haben wir die Versorgungssicherheit auch weiterhin in der Hand.

Stichwort Claim

Der englische Marketing-Begriff ist den meisten aus der Werbesprache bekannt. Er stellt die Kernaussage eines Unternehmens dar, kommt als kompakte (Werbe-)Botschaft daher, die die Identität/den Charakter einer Marke oder des ganzen Unternehmens transportiert – im Gegensatz zum Slogan, der eine charakterisierende Aussage für ein einzelnes Produkt ist.

Langfristig angelegt, hat ein erfolgreiches Claim bei aller sprachlichen Kreativität immer eine eindeutige Bedeutung, ist so prägnant wie einprägsam und kommt stets positiv wirkend daher.

Bislang waren und sind die Stromnetze, nicht nur in Deutschland, nämlich auf einen mehr oder weniger gleichmäßigen Energiefluss ausgelegt – und der kannte nur eine Richtung: vom Erzeuger zum Nutzer. Doch nun kommen neue Variablen ins Spiel, insbesondere die schon angesprochenen Veränderungen der Erzeugungs- und Nachfragestrukturen. Ende 2022 wird das letzte Atomkraftwerk hierzulande abgeschaltet, spätestens 2038 sollte nach bisheriger Agenda auch der Kohle-Ausstieg vollzogen sein. Geht es nach der neuen Bundesregierung, am besten sogar schon bis 2030 – womit die eingangs erwähnte Mammut-Aufgabe wieder ins Spiel kommt. Doch mit den dafür notwendigen ambitionierten Ausbauzielen für Windkraft und Solarenergie ist es nicht allein getan. ED-Netze Fachbereichsleiterin Franziska Heidecke spricht in dem Zusammenhang von „spannenden, aber auch spaßmachenden Herausforderungen“.

So sind intelligente Stromnetze gefragt, deren vernetzte Akteure und smart ausgewertete Daten die Basis eines vorausschauenden Last- bzw. Engpassmanagements sind. Mehr Transparenz im Netz ist dafür notwendig, weswegen den Bereichen Sensorik und Aktorik immer mehr Bedeutung zukommt. Je zeitnaher und mehr Informationen Netzbetreiber über Aktionen – und Akteure wie zum Beispiel Einspeiseanlagen – im Netz haben, umso schneller können sie automatisiert aus der Ferne reagieren. Und: Je größer der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung wird, umso wichtiger werden flexible Zwischenenergiespeicher als Ausgleich. Da hier perspektivisch auch die Batterien von E-Fahrzeugen eine Rolle spielen könnten, unternimmt die Energiewirtschaft – und hier vor allem die Verteilnetzbetreiber wie ED-Netze – bei der E-Mobilität bereits viel für eine adäquate Sektorkopplung.

Franziska Heidecke fasst das so zusammen: „Die Verteilnetze stehen durch die Energie- und Mobilitätswende vor vielfältigen Herausforderungen, aber – und das sehen unsere Mitbewerber ähnlich – wir stellen uns ihnen: Die Netze haben stets Lösungen gefunden und werden das auch weiterhin tun.“ Der Optimismus kommt nicht von ungefähr, denn ED Netze hat alle im Unternehmen innovativ darauf eingeschworen. Und alle ziehen mit.

Franziska Heidecke und ihr Team signalisierten den ED-Netze-Mitarbeitern mit einer neuen, überraschenden Art der Kommunikation, das ein Veränderungsprozess im Gange ist: Eines Morgens fanden sich vor jedem Stützpunkt und ED-Netze-Zugang ein Bodenaufkleber mit dem Zielbild, der mit einem Folien-Schriftzug zur InnoWerkstatt ergänzt wurde. (Foto: ED Netze)
Franziska Heidecke und ihr Team signalisierten den ED-Netze-Mitarbeitern mit einer neuen, überraschenden Art der Kommunikation, das ein Veränderungsprozess im Gange ist: Eines Morgens fanden sich vor jedem Stützpunkt und ED-Netze-Zugang ein Bodenaufkleber mit dem Zielbild, der mit einem Folien-Schriftzug zur InnoWerkstatt ergänzt wurde. (Foto: ED Netze)

Neu kann auch Bewährtes sein

So initiierte der Verteilnetzbetreiber im Spätjahr 2021 eine sogenannte InnoWerkstatt, um Veränderungspotentiale bei den ED Netzen aus noch mehr Perspektiven zu beleuchten. Eingeladen dazu waren diesmal alle rund 350 Mitarbeiter des Unternehmens. Ausnahmslos. Jeder konnte, keiner musste mitmachen.

Ein wichtiger Bestandteil der InnoWerkstatt war eine Roadshow, die in allen elf Stützpunkten Station machte. Franziska Heidecke, als zuständige Fachbereichsleiterin bei ED Netze eine der treibenden Kräfte des Projekts, erklärt warum: „Obwohl wir dazu eingeladen haben, haben wir uns auf den Weg gemacht, sind wir ganz bewusst zu den Kolleginnen und Kollegen gekommen. Wir wollten ihnen damit ganz deutlich machen: Wir hören Euch vor Ort in Eurem direkten Arbeitsumfeld zu.“ Die Fragen lagen auf der Hand: Wo sehen die, die es tagtäglich umsetzen müssen,  Erneuerungsbedarf? Haben sie organisatorische oder technische Ideen, die uns unserem Zielbild ein Stück näher bringen?

Dabei ging es nicht primär um Innovationen im landläufigen Sinne: „Wir haben Innovation für uns und die InnoWerkstatt nicht als grundlegend Neues definiert, sondern vor allem als kontinuierlichen Erneuerungsprozess, wo auch bislang Ungenutztes oder andernorts Bewährtes zu Veränderungen bei uns führen kann.“ So war auch diese Form des Austausch über das Zielbild und seine Themenbereiche ein neuer Weg, mit und zwischen allen Ebenen und Unternehmensbereichen zu kommunizieren: „Es geht uns um eine neue Art des Arbeitens und Denkens.“

Und – auch das ein Novum – letztlich des Handelns, denn die InnoWerkstatt hat auf der begleitenden Digitalplattform zur Einreichung von über 60 konkreten Ideen für umsetzbare Verbesserungen geführt. Zehn davon haben es in die Endrunde geschafft und wetteifern nun unternehmensintern um Stimmen, denn die Top-3-Platzierten werden umgesetzt.

Konkreter kann „Wir gestalten das Netz von morgen“ wohl kaum gelebt werden.

Sie wollen mehr über die InnoWerkstatt wissen?

In Kürze berichten wir detaillierter über dieses Element des aktuell angestoßenen Veränderungsprozesses bei ED Netze. Lesen Sie dann hier dazu mehr!

Über die Autorin: Sonja Sahmer

Sonja Sahmer
(Foto: privat)

Nach „festangestellten“ Jahren in der Presse- und Öffentlichkeitarbeit machte sich Sonja Sahmer 2010 mit Texterlei  als Journalistin, Autorin und Lektorin selbstständig. Neben Magazin-Beiträgen sowie Corporate-Publishing-Projekten textet sie auch für Unternehmenswebsites und -blogs. Mit einer „Schreibe“, die aus Begeisterung entsteht und Lesefreude verspricht. Und von Wissensdurst und Recherchelust zeugt.

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