Das Netz im Blick: Die Rolle der Bundesnetzagentur

Als oberste Regulierungsbehörde Deutschlands ist die Bundesnetzagentur in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn – Adresse: Tulpenfeld 4 – ansässig.
Als oberste Regulierungsbehörde Deutschlands ist die Bundesnetzagentur in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn – Adresse: Tulpenfeld 4 – ansässig.

Sie ist womöglich die derzeit gefragteste Behörde der Bundesrepublik: Zumindest vergeht momentan kaum ein Tag, an dem sie es nicht in die Nachrichten schafft. Die Rede ist von der Bundesnetzagentur, kurz BNetzA. In der aktuellen Energiekrise genießen die Versorgungssicherheit und die Prävention von Gas- und Strommangellagen oberste Priorität. Darüber hinaus besitzt die Bundesnetzagentur weitreichende Aufgaben im Netzbetrieb.

von Patrick Torma

Eigentlich gibt es die Bundesnetzagentur schon seit 1998. Nur hatte sie damals mit Strom noch nichts zu tun und hieß daher anders: Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP). Deren Wurzeln wiederum reichen bis 1949 zurück. Manche erinnern sich: Bis 1997 zählte der Postminister zum Kabinett der Bundesregierung, Dienstherr über das Bundesministerium für Post und Fernmeldewesen (ab 1989: Telekommunikation). Mit der Privatisierung beider Sparten wurde diese Behörde aufgelöst. An ihrer Stelle trat die RegTP, verbunden mit dem Auftrag, die Liberalisierungsprozesse zu beaufsichtigen.

2005 entschied der Bund, die Energieregulierung ebenfalls in die Verantwortung dieser Institution zu überstellen. Sodann wurde auch die Umbenennung in „Bundesnetzagentur“ beschlossen, in dieser Kurzform ist sie bis heute in aller Munde. Weil sie seit ihrer offiziellen Betriebsaufnahme am 1. Januar 2006 auch über den freien Zugang zur deutschen Eisenbahninfrastruktur wacht, lautet der vollständige Name „Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen“.

Bundesnetzagentur wacht über viele Lebensadern unseres Alltags

Keine Bange, diesen sperrigen Titel schieben wir gleich wieder zur Seite. Da wir uns auf die Bedeutung der Bundesnetzagentur für den Stromnetzbetrieb konzentrieren, begnügen wir uns mit dem griffigen Rufnamen. Es reicht, sich vor Augen zu halten: Die Bundesnetzagentur steuert und überwacht wesentliche Netzwerkökonomien unseres Landes und nimmt somit Einfluss auf viele Bereiche unseres Alltags.

Das macht sie zur obersten deutschen Regulierungsbehörde. Als solche steht sie unter dienstlicher und – zum Teil – fachlicher Aufsicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, mit Blick aufs Telekommunikationsgesetz ist sie fachlich an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr „angedockt“.

Auf ihrer Website stellt sich die Bundesnetzagentur als „zentrale Infrastrukturbehörde Deutschlands“ vor, die „die Leistungsfähigkeit der zentralen Lebensadern“ sicherstellt. Zu den übergeordneten Aufgaben zählen die „Förderung des Wettbewerbs“ in den von ihr beaufsichtigten Netzindustrien auf der einen, der „Schutz der Verbraucher“ auf der anderen Seite. Gehörte die Marktregulierung zu ihrem Gründungsauftrag, rückte der Verbraucherschutz über die Jahre in den Fokus der Behörde. Allgemein wird erwartet, dass sich die Netzagentur noch stärker in diesem Bereich positioniert. Als Präsident sitzt ihr seit März 2022 mit Klaus Müller der ehemalige Geschäftsführer der Bundes-Verbraucherzentrale vor.

Ihm unterstellt sind 2.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich auf bundesweit 46 Außenstellen, die technische Aufsicht in Mainz und schließlich den Verwaltungssitz in Bonn verteilen. Dort ist übrigens, in nur wenigen Minuten erreichbar, auch die zweite, wichtige Wettbewerbsbehörde Deutschlands ansässig: das Bundeskartellamt.

 

Die technische Aufsicht der Bundesnetzagentur sitzt in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz. (Foto: Olaf Kosinsky (kosinsky.eu) unter CC BY-SA 3.0)
Die technische Aufsicht der Bundesnetzagentur sitzt in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz. (Foto: Olaf Kosinsky (kosinsky.eu) unter CC BY-SA 3.0)

Schutzpatronin des deutschen Elektrizitätsmarkts

Die Gründung der Bundesnetzagentur in ihrer heutigen Form geht mit der Liberalisierung des europäischen „Elektrizitätsbinnenmarktes“ ab den 1990er-Jahren und die vorausgesetzte Verflechtung von Netz und Vertrieb (Stichwort: „Unbundling“) einher. Auf die Historie und Rechtsgrundlagen, aber auch die Unwuchten in diesem Prozess, gehen wir detailliert in einem separaten Blogbeitrag ein. Stark zusammengefasst: Da die Erfahrung (nicht nur) in Deutschland lehrte, dass Vertrauen allein keinen Wettbewerb schafft, definierte die Bundesregierung Aufgaben für eine staatliche Regulierungsbehörde, und zwar in ihrer Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) von 2005 – die „Geburtsurkunde“ der Bundesnetzagentur.

Über das Stromnetz hinaus: weitere Aufgaben der Bundesnetzagentur

  • Mit ähnlicher Kompetenzfülle reguliert die Bundesnetzagentur den Gas-Sektor. Durch den Krieg in der Ukraine und der geplanten Loslösung von russischen Quellen ist sie derzeit besonders gefordert: Für den Fall, dass es zu Versorgungsengpässen kommt, arbeitet die Bundesnetzagentur an einem Krisenplan.
  • Neben einem fairen Wettbewerb hat die Bundesnetzagentur im Bereich der Telekommunikation die „Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen“ im Blick. Beim Ausbau von Internet und Handynetz ist sie als Aufsichtsbehörde in den „gesamten Technologiezyklus“ – von der Standardisierung bis zur Überprüfung neu eingeführter Geräte – eingebunden. Verbraucher schützt sie, indem sie etwa unzulässige Telefonwerbung, Rufnummernmissbrauch und „unsichere Angebote“ ahndet.
  • Briefe und Päckchen: Die Bundesnetzagentur stellt sicher, dass sich die Leistungen der Post und anderer Anbieter im gesetzlichen Rahmen bewegen. Außerdem geht sie Problemen in der Zustellung nach.
  • Fernzüge, Regionalbahnen, Güterverkehr: Die Bundesnetzagentur prüft, inwiefern Anbietern neben der Deutschen Bahn der freie Zugang ans Schienennetz gewährt wird.

Seitdem wacht die Netzagentur als „Schutzpatronin“ über die Konkurrenz auf dem deutschen Elektrizitätsmarkt, wobei sie gerade in den Anfangsjahren der Liberalisierung in einer Vielzahl von Streitfragen zwischen Neuanbietern und arrivierten Unternehmen vermittelte. Heute liegt ihr Fokus eigenen Angaben nach darauf, dass „die Netzbetreiber die großen Aufgaben der Energiewende meistern können, ohne dabei Verbraucherinnen und Verbraucher finanziell übermäßig zu belasten“.

Was freundlich umschrieben so viel heißt wie: „Wir bei der Bundesnetzagentur schauen ganz genau hin“. Hintergrund ist, dass die Höhe der Netzentgelte kostenbasiert ermittelt wird. Denn: Umfangreiche Verteilnetze in bergigen Lagen etwa sind mit höheren Kosten verbunden als überschaubare in flachen Regionen. Netzbetreiber wie ED Netze übermitteln jährlich ihre finanziellen Aufwendungen für Betrieb, Erhalt und Erneuerung ihrer Infrastruktur zuzüglich eines regulatorischen Gewinns zur Prüfung an die Bundesnetzagentur.

Was Netzbetreiber berechnen: Bundesnetzagentur prüft das Netzentgelt

Weil in einem solch kostenbasierten Vermittlungsverfahren denkbar ist, dass Betreiber ihre Kosten zu teuer bilanzieren, um höhere Entgelte herauszuschlagen, installierte der Gesetzgeber mehrere Schutzmechanismen. Dazu gehört eine Erlösobergrenze. Seit 2009 kommt die sogenannte Anreizregulierung zum Tragen: Durch prozentual sinkende Sätze über einen gewissen Zeitraum hinweg werden Betreiber animiert, ihre Netze durch Investitionen effizienter zu gestalten.

Eine Besonderheit betrifft die Netzentgelte der großen Übertragungsnetze, mit Blick auf die Herausforderungen der Energiewende. Durch den Netzausbau und die hohe erneuerbare Einspeisung aus neuen Windkraftanlagen sind die Belastungen durch die Netzentgelte für Verbraucher im Norden und Osten Deutschlands im Durchschnitt stärker gestiegen als im Westen und im Süden. Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz vom 17. Juli 2017 hat das Bundeswirtschaftsministerium bundeseinheitliche Netzentgelte auf den Weg gebracht. Ihre Einführung erfolgt(e) schrittweise und wird zum 1. Januar 2023 abgeschlossen.

Besondere Herausforderungen in der Energiewende

Ohnehin kommt der Bundesnetzagentur beim Ausbau erneuerbarer Energien eine Schlüsselrolle zu. Laut Koalitionsvertrag der Ampelregierung sollen im Jahr 2030 mindestens 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien stammen.

Damit etwa der von Windkraftanlagen im Meer und in den Flachlandregionen erzeugte Strom ins Landesinnere transportiert werden kann, wird das Übertragungsnetz seit einigen Jahren umfassend ausgebaut (zum aktuellen Stand des Netzausbaus informiert eine Projekt-Website). Die Bundesnetzagentur übernimmt gemäß Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) von 2011 verfahrensführende Funktionen: Sie ermittelt den Bedarf neuer Trassen, beteiligt die Öffentlichkeit an den Plänen und genehmigt schließlich den Bau neuer Leitungen.

Dies betrifft in erster Linie die Höchst- und Hochspannungsnetze. Grundsätzlich sind auch Verteilnetzbetreiber verpflichtet, der Regulierungsbehörde „jede Anpassung oder Anforderung einer Anpassung von Stromeinspeisungen und Stromabnahmen“ zum Zwecke „eines sichereren und zuverlässigen Betriebs der Elektrizitätsversorgungsnetze“ zu melden. Reine Instandhaltungen auf der Ebene der Mittel- und Niedrigspannung sind hiervon ausgenommen.

Weil Netzbetreiber jedoch in regelmäßigen Abständen eine ganze Reihe von Informationen übermitteln – darunter Last-, Struktur- und Absatzdaten sowie Angaben zum Konzessionsgebiet, der versorgten Fläche und Bevölkerungszahl –, ist die Bundesnetzagentur stets „auf dem Laufenden“, was Effizienz und Qualität der rund 900 lokalen und regionalen Netze betrifft. Um zu verdeutlichen, welchen „Wust“ die Behörde überblickt: Von der Höchstspannungsebene bis in die kleinste, sublokale Verästlung hinein – das deutsche Stromnetz erstreckt sich immerhin über eine Kabellänge von 1,7 Millionen Kilometern!

Nicht jede kleine Instandsetzung im Verteilernetz muss der Bundesnetzagentur gemeldet werden, wohl aber „jede Anpassung oder Anforderung einer Anpassung von Stromeinspeisungen und Stromabnahmen“. (Foto: Henrik Morlock)
Nicht jede kleine Instandsetzung im Verteilernetz muss der Bundesnetzagentur gemeldet werden, wohl aber „jede Anpassung oder Anforderung einer Anpassung von Stromeinspeisungen und Stromabnahmen“. (Foto: Henrik Morlock)

Noch mehr Unabhängigkeit für die „Macht vom Rhein“

Die Bundesnetzagentur behält in vielen Netzthemen nicht nur den Überblick. Ihr Einfluss wurde seit ihrer Gründung immer weiter gestärkt. Der Autor Michael Heuterkes („Die Zähmung der Blitze. Eine kurze Geschichte der Elektrizität“) nennt die Behörde einen „Fels in der Brandung“, da sie innerhalb weniger Jahre zur „kompetentesten deutschen Behörde zu energiewirtschaftlichen Fragestellungen“ aufstieg. Politische Beobachter bezeichnen die Netzagentur wegen ihres Sitzes in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn gelegentlich auch als „Macht vom Rhein“. Wie mächtig die Behörde tatsächlich ist, wird in der Öffentlichkeit immer wieder diskutiert.

Was kaum verwundert – angesichts vieler Zukunftsthemen, der Vielzahl an Akteuren und nicht zuletzt der derzeitigen Auswirkungen der geopolitischen Entwicklungen auf den globalen Energiemarkt. Je nachdem, wen man fragt, reicht der Einfluss der Netzbehörde zu weit oder eben nicht weit genug.

Die Bundesnetzagentur hat sich über die Jahre auch dem Schutz von Verbrauchern verschrieben. Dazu passt, dass seit März 2022 der ehemalige Chef der Bundes-Verbraucherzentrale, Klaus Müller, als Präsident die Geschicke der Behörde lenkt. (Foto: BnetzA, Creative Commons via Wikimedia Commons)
Die Bundesnetzagentur hat sich über die Jahre auch dem Schutz von Verbrauchern verschrieben. Dazu passt, dass seit März 2022 der ehemalige Chef der Bundes-Verbraucherzentrale, Klaus Müller, als Präsident die Geschicke der Behörde lenkt. (Foto: BnetzA, Creative Commons via Wikimedia Commons)

Speziell auf das Energierecht gemünzt sprach der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 2. September 2021 ein klares Urteil in dieser Frage (korrekt: in der Rechtssache C-718/18). Die Richter in Luxemburg gaben damit einer Klage der Europäischen Kommission statt, die der Bundesrepublik Deutschland weitere Verstöße gegen die gemeinsamen EU-Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt attestierte. In seinem Urteil fordert der EuGH eine stärkere Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur von der Politik.

Für eine „Übergangszeit“ werde man „geltendes deutsches Recht“ anwenden, heißt es vonseiten der Bundesnetzagentur, um „Regelungslücken zu vermeiden“. Mittelfristig wird der Gesetzgeber die Rolle der Behörde neu definieren sowie erforderliche Anpassungen des deutschen Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und der ihr zugrunde liegenden Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) anstoßen müssen (Stand: November 2022). Beispielsweise soll die Festsetzung der Netzentgelte künftig in der alleinigen Verantwortung der Bundesnetzagentur liegen. Bislang kamen die entsprechenden Verordnungen aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

Fest steht: Die Entwicklung der Bundesnetzagentur ist lange noch nicht abgeschlossen, sie wird sich weiterhin dem technischen Fortschritt, den gesetzlichen Erfordernissen sowie den Veränderungen der globalen Märkte anpassen müssen. Dass sie hierzu in der Lage ist, diesen Nachweis hat die Behörde seit ihrer Gründung mehrfach erbracht.

 

Über den Autor: Patrick Torma

(Foto: CAMILLO WIZ PHOTOGRAPHY, Camillo Lemke)
(Foto: CAMILLO WIZ PHOTOGRAPHY, Camillo Lemke)

Als freier Journalist und Texter spürt Patrick Torma spannenden Geschichten nach – und bringt sie für Leser auf den Punkt. Zu seinen Auftraggebern zählen Medien und Redaktionsbüros, aber auch Unternehmen, die ihrer Zielgruppe einen Mehrwert bieten. Technische und historische Themen begeistern ihn besonders. Da trifft es sich gut, dass die (Strom-)Netzgeschichten im ED-Netze-Blog beides vereinen.

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